Die Aufregung der Schülerinnen und Schüler war bereits Wochen im Voraus zu spüren. Bereits am allerersten Schultag stand ein Thema ganz oben auf der Frageliste: die Klassenfahrt nach Nideggen. Endlich den Eltern zeigen können, wie groß man schon ist; endlich mit alten und neuen Freunden für zwei Tage und Nächte bis tief in die Nacht Unsinn anstellen, jede Menge Süßigkeiten essen und die Lehrer um den Verstand bringen können. Derartige Fantasien geisterten mit Sicherheit durch manchen Sextanerkopf. Dass die mitfahrenden Lehrerinnen und Lehrer dabei ein Wörtchen mitzureden hatten und das Maß an Unsinn, Süßigkeiten und Lehrer-um-den-Verstand-Bringen auf ein Minimum beschränken würden, verdrängte man allzu gern...

kennenlernfahrt2Nachdem dann die langen Herbstferien vergangen und anderthalb weitere Schulwochen überstanden waren, ging es los. Vier fünfte Klassen, insgesamt neunzig Schülerinnen und Schüler, und sieben begleitende Lehrerinnen und Lehrer luden ihr Gepäck in zwei Reisebusse, stiegen ein und ließen sich in Richtung Jugendherberge Nideggen fahren. Die Freude war groß, die Stimmung gut und die Fahrt schon nach zwanzig Minuten zu Ende; es war von Vorteil, dass die Jugendherberge nicht allzu weit entfernt war. Nach der Ankunft traf sich jede Klasse in ihrem Teamraum und wurde wenig später vom eigenen Trainer begrüßt; schließlich fuhr man nicht ohne Grund auf Klassenfahrt. Nicht nur das gegenseitige Kennenlernen stand im Vordergrund der kommenden Tage, sondern auch der sogenannte Teamcheck. Die Klasse sollte zusammenwachsen und dabei auf so manche Probe gestellt werden.

Teamspiele, Vertrauensübungen, Mutproben, all das stand auf dem Programm und immer wieder musste die Klasse beweisen, dass sie gemeinsam stärker war als jeder Einzelne für sich. Sich mit verbundenen Augen nach hinten kippen lassen und darauf zu vertrauen, von einem Mitschüler gehalten zu werden, erfordert Mut. Doch wenn es klappt – und es klappte immer –, dann war man stolz aufeinander. Gleiches galt für den Spaziergang über eine Leiter, welche von den Mitschülerinnen und Mitschülern gehalten wurde. Und damit der Spaß nicht zu kurz kam, durfte auch mancher Klassenlehrer seinen Mut unter Beweis stellen. Nicht weniger Mut verlangte das Klettern ab. Selbst gut gesichert und vom Trainer überwacht, kostet es Überwindung und Kraft, auf einem Baum siebzehn Meter in die Höhe zu klettern. Doch wenn man oben an einem Gummi-Hühnchen quietschen darf, ist der Anreiz groß genug. So schafften es einige Jungen und Mädchen bis ganz nach oben. Und selbst diejenigen, die nicht so weit kamen, hatten allen Grund, stolz auf sich zu sein. Auch ihr Mut wurde von den Mitschülern mit Anerkennung belohnt.

kennenlernfahrt3Die wohl härteste Aufgabe stellte der Trainer aber im Rahmen der Nachtwanderung am ersten Abend. Zunächst ging man als Klasse zusammen und war gut gelaunt. Dann aber wurde der Klassenlehrer alleine vorgeschickt, um an einem bestimmten Punkt auf seine Schülerinnen und Schüler zu warten. Diese sollten alleine oder zu zweit oder zu dritt etwa einen Kilometer durch den dunklen Wald laufen. Dabei stellte sich heraus, wie schön es doch war, in der Dunkelheit nicht allein zu sein. Und so hatten sich manche nie zuvor – und vermutlich auch nie wieder danach – so sehr gefreut, ihren Klassenlehrer wiederzusehen.
Obwohl man nur zwei Tage unterwegs war, galt es viele Teamspiele zu absolvieren und dabei möglichst viele Punkte zu holen. Denn am Ende kam die Abrechnung und dann zeigte sich, wie gut der Zusammenhalt in der Klasse funktionierte. Dass die Schülerinnen und Schüler aber auch in der freien Zeit lieber zusammen als allein waren, wurde beispielsweise am zweiten Abend deutlich, als die Klassen mit ihren Lehrerinnen und Lehrern spielten und dabei jede Menge Spaß hatten. Und weil die Tage so aufregend und schön waren, konnte man des Nachts auch gut schlafen. Lediglich auf einzelnen Zimmern war auch um elf Uhr noch leises Gekicher zu hören. Doch auch dieses verstummte schließlich.

Das Einzige, was am Freitag beim gemeinsamen Abschlussfrühstück an Kritik zu hören war, war die Tatsache, dass die Kennenlernfahrt bereits zu Ende ging. Und so wünschte man den kommenden fünften Klassen, dass ihre Fahrt genauso schön wird, aber ein wenig länger andauert...