Am Mittwoch, den 15.03.2022, haben die Schülerinnen und Schüler des Koop-Leistungskurses sowie weiterer Geschichtskurse des Burgau-Gymnasiums Besuch von einem Zeitzeugen der DDR-Diktatur erhalten. Der erwähnte Zeitzeuge, Peter Hippe, berichtet dabei von seiner Jugend in der DDR, seinem Kontakt mit dem Staatsapparat und seiner späteren Flucht in die Bundesrepublik.
Zu Beginn der Doppelstunde, die die Schülerinnen und Schüler mit dem Zeitzeugen Peter Hippe verbringen konnten, stellte dieser sich vor. Er war nicht alleine an das Burgau-Gymnasium gekommen, sondern er wurde durch die Organisation »Opfer des Stalinismus«, durch einen weiteren Zeitzeugen, der angab, selbst DDR-Bürger gewesen zu sein, begleitet, der ihm die Möglichkeit gab, seine persönlichen Erfahrungen in einen sachlich-historischen Kontext zu bringen. Peter Hippe betonte die Wichtigkeit, seine Erfahrungen im »Zeitalter der Extreme«, wie er unsere Zeit nennt, zu teilen und mit Schülerinnen und Schülern darüber in einen Austausch zu kommen.
Peter Hippe verbrachte seine Kindheit als Halbwaise. 1950 verließ seine Mutter die DDR aus politischen Gründen, weshalb er bei seiner Großmutter in seinem Geburtsort Halle an der Saale verblieb. 15 Jahre später bekam er erstmals die Möglichkeit, die DDR für einen kurzen Zeitraum zu verlassen. Durch seine um zwei Tage verspätete Rückkehr sowie durch die Tatsache, dass er seine aus politischen Gründen geflohene Mutter im Westen besucht hatte, wurde er bereits bei seiner Ankunft vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) empfangen. Daraus resultierend verlor er seine Abiturzulassung und erhielt eine Markierung in seinem Ausweis, die ihm die Einreise nach Ost-Berlin verwehrte.
Danach begannen erste Fluchtgedanken aufzukommen, die durch einen Arbeitskollegen mit ähnlichem Schicksal befeuert wurden. Als Peter Hippe und sein Kollege sich per Anhalter auf die Flucht begaben, kamen diese jedoch nur bis Brandenburg an der Havel, da Hippe dort festgenommen wurde. Niemand wusste von ihrem Plan, daher glaubt Hippe, dass sein Arbeitskollege nur zum Schein mitflüchtete. Nach seiner Festnahme wurde er über eine kurze Zwischenstation in Untersuchungshaft in Potsdam zurück nach Halle gebracht. Jedoch nicht zurück zu seiner Großmutter, sondern in ein ehemaliges Gebäude eines Konzentrationslagers, welches in der DDR als Internierungslager für straffällige und politisch auffällig Jugendliche genutzt wurde. Dort sollte er zu einer sozialistischen Persönlichkeit umerzogen werden.
Aus Verzweiflung aufgrund der miserablen Umstände in diesem Lager, flehte er darum, aus der Anstalt entlassen zu werden. Dies wurde ihm ermöglicht, wenn er begann, seine alten Freunde für die K1 (Kriminalpolizei des Ministeriums des Inneren) zu bespitzeln. Er kam daraufhin aus der Anstalt frei, boykottierte jedoch jeglichen Kontakt zur K1. In dieser Zeit lernte er auch seine spätere Ehefrau kennen. Er begann eine Familie zu gründen und fand einen Studienplatz. Diesen bekam er trotz seiner politischen Auffälligkeit, jedoch wurden sog. Operative Personenkontrollen (OPK) auf ihn angewandt, die dem MfS Informationen über ihn beschafften. 1984 stellte er mit seiner Ehefrau dann einen Ausreiseantrag. Die OPK wurde daraufhin verschärft und er erfuhr so genannte Zersetzungsmaßnahmen, wodurch er gesellschaftlich und sozial völlig isoliert und geächtet wurde und seine Arbeitsstelle verlor. Er stellte fortlaufend weitere Ausreiseanträge und wurde selbst nach insgesamt 17 Anträgen – zu seiner eigenen Verwunderung – nicht verhaftet.
Hippe begab sich nach Ost-Berlin in die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in der Hoffnung, über diese in den Westen fliehen zu können. Dieser Besuch inklusive Mutmaßungen über sein Motiv wurde selbstverständlich in seiner Stasi-Akte aufgeführt. Nachdem die Ständige Vertretung ihm bei seinem Anliegen nicht geholfen hatte, beschloss er mit einer Gruppe Gleichgesinnter die amerikanische Botschaft zu besetzen und somit seine Ausreise in den Westen zu erzwingen. Im November 1988 schaffte er es damit endlich aus der DDR zu fliehen und seine Freiheit zu erlangen. Er betont mehrfach die Bedeutung der Freiheit für ihn.
Während des gesamten Gespräches fand ein reger Austausch zwischen den Schülerinnen und Schülern und Herrn Hippe statt. Sie hatten immer wieder persönliche sowie allgemeine Fragen an ihn, die er mit Freude, aber auch emotionaler Ergriffenheit beantwortete, auch wenn er immer wieder an den zeitlichen Rahmen erinnert werden musste. Herr Hippe war sichtlich motiviert und die Schülerinnen und Schüler brachten ihm Interesse und Dankbarkeit für das Teilen seiner Geschichte entgegen. Für mich war diese Doppelstunde eine, die ich so schnell nicht mehr vergessen werde und möchte.
Robin Schmitz, Q2 (Koop-Schüler des Stiftischen Gymnasiums)